Mein Besuch in Bonao vom 06. Juni 2025 – 16. Juli 2025
Am 06. Juni 2025 war es soweit: Endlich konnte ich nach Bonao reisen, um die Partnergruppe Morada de Jesús kennenzulernen und ein mehrwöchiges Pflegepraktikum im Krankenhaus zu absolvieren. Der Wunsch, diese Reise zu unternehmen, bestand bereits seit Oktober 2023. Damals waren Raúl und Eugenio im Rahmen eines internationalen Treffens der Kolpingfamilie zu Gast in Deutschland und besuchten uns in Bocholt. Bei diesem Treffen entstand die Idee, nach meinem Abitur im Sommer 2024 ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bonao zu verbringen. Da ich jedoch ein Sportstipendium für eine US-amerikanische Universität erhielt, verschob sich der Plan vorerst, und ich verbrachte zunächst ein Jahr an der Rider University in New Jersey.
Da ich nun zum Wintersemester 2025 mein Medizinstudium an der Universität Hamburg bzw. am Universitätsklinikum Eppendorf beginne und dafür Pflegepraktika absolvieren muss, nutzte ich die Gelegenheit, wieder Kontakt zu Eugenio aufzunehmen. Mit seiner Unterstützung organisierte ich ein mehrwöchiges Praktikum im Hospital Pedro E. de Marchena. So flog ich am 6. Juni 2025 – direkt im Anschluss an mein Jahr in den USA – von New York nach Santiago de los Caballeros. Dort wurde ich von Joaquín, einem Mitarbeiter der Kolpingfamilie, abgeholt und zu meinem neuen zu Hause in die Familie von Ana und Eugenio gebracht – ganz nach dem Prinzip mi casa es tu casa. Für die nächsten sechs Wochen durfte ich dort wohnen, wurde herzlich in das Familienleben integriert und lecker bekocht (mit Ausnahme von Sancocho – diejenigen, die in Bonao waren, wissen Bescheid ;). Der Aufenthalt in der Gastfamilie de Jesús sorgte außerdem dafür, dass ich schnell Teil der Gemeinschaft wurde.
Ich wohnte in einem Drei-Generationen Haushalt mit meinen Gasteltern Ana und Eugenio, meinem 100-jährigen Gastopa Don Félix und meinem Gastbruder Eugenio Junior. Sowohl Ana als auch Eugenio haben viele Geschwister, die – wie üblich – im Haus ein- und ausgingen, so dass ich auch die Großfamilie – más or menos – in der ersten Woche kennenlernte. Eine besondere Verbindung entstand zu meinem Gastopa Don Félix, der morgens gerne mit mir fernsah, bevor ich zum Dienst abgeholt wurde. Auch ohne viele Worte verbrachten wir also viel Zeit miteinander und genossen einfach die Gesellschaft des anderen. Deshalb war die Feier zum 100. Geburtstag von Don Félix ein ganz besonderes Ereignis für mich während meiner Zeit in Bonao. Ein ganzes Wochenende wurde gefeiert und alle acht Kinder – davon sieben aus den USA angereist – kamen zusammen. Zu Ehren von Don Félix feierten wir gemeinsam eine Messe in der Parroquia de Nuestra Señora de Fátima. Anschließend wurde feierlich ein Spanferkel aus Eugenios eigener Zucht zubereitet. Das gesamte Wochenende über war der starke Familienzusammenhalt über vier Generationen hinweg spürbar.
Direkt am ersten Montag begann mein Praktikum im Hospital Pedro E. de Marchena. Das Hospital ist ein öffentliches, modernes und großes Krankenhaus, das eine zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung der Provinz einnimmt. Es bietet ein breites Leistungsspektrum verschiedener medizinischer Disziplinen und Notfallversorgung an. Das Krankenhaus versteht sich aber nicht nur als medizinische Einrichtung, sondern engagiert sich auch durch soziale Unterstützung aktiv für die Gemeinschaft.
Für mich zunächst etwas ungewohnt (nachher habe ich es sehr zu lieben gelernt), wurde ich täglich von der Krankenschwester Hölguin zur Spätschicht mit der pasola (einem Motorroller) zum Dienst von zu Hause abgeholt und im Anschluss wieder zurückgebracht. Mein Aufgabenbereich im Praktikum war sehr spannend und vielseitig: Ich erhielt Einblicke in die stationäre medizinische Patientenbehandlung, half bei der täglichen Pflege und konnte verschiedene medizinische Bereiche kennenlernen. Besonders eindrucksvoll waren für mich die Einsätze auf der Geburtsstation, wo ich zahlreiche Geburten miterleben durfte. Es war bewegend, die Vorfreude aber auch Anspannung der Schwangeren, ihrer Familien und auch vom Pflegepersonal vor jeder Geburt zu erleben. Unvergesslich bleibt für mich, dass ich bei mehreren natürlichen Geburten sowie einem Kaiserschnitt hautnah dabei sein durfte. Ein weiterer Höhepunkt war die Mitarbeit auf der Mutter-Kind-Station. Insbesondere der Moment, in dem ich im Rahmen einer vaginalen Untersuchung den Kopf eines Babys im Becken seiner Mutter ertasten konnte, war für mich sehr bewegend. Schon am ersten Tag durfte ich ein Frühgeborenes, das zunächst auf der Überwachungsstation lag, seiner Mutter bringen. Das kleine Kind in den Händen zu halten und über die Station zu tragen, war für mich nicht nur aufregend, sondern auch zutiefst berührend – besonders in dem Moment, als ich es schließlich der überglücklichen Mutter überreichen konnte. Diese Erfahrungen machten mir von Anfang an deutlich, dass es ein ganz besonderes Praktikum werden würde, denn manche Erfahrungen, wie ich sie so in Bonao machen durfte, hätte ich in dieser Form in einem deutschen Krankenhaus nicht machen können. Auch auf der Chirurgie konnte ich aktiv mitwirken, zum Beispiel beim Nähen, Instrumente anreichen oder Kontrolle der Vitalzeichen während der Narkose. Besonders positiv fiel mir die Unterstützung und Geduld des Pflegepersonals auf, das mir alles genau erklärte und mir die Vielfalt der medizinischen und pflegerischen Versorgung näherbrachte.
Neben dem Pflegepraktikum war für mich vor allem das Kennenlernen der vielen Freunde interessant. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Besuch bei Petra und José: Kaum hatte ich das Wohnzimmer betreten, fiel mein Blick unweigerlich auf das Bild meines Opas Johannes, das dort an einem Ehrenplatz hing. Vor vielen Jahren hatte mein Opa den beiden beim Bau ihres Hauses geholfen, und als Zeichen ihrer Dankbarkeit hatte die Familie das Bild dort aufgehängt. Sehr lustig war auch der Geburtstag von Raúl: An diesem Abend wurde viel gesungen und getanzt – natürlich blieb auch ich nicht verschont und durfte mit dem Geburtstagskind Merengue tanzen. Ein Besuch bei Cualo in La Vega durfte natürlich auch nicht fehlen. Als Vize-Präsident der Universidad Católica del Cibao zeigte er mir den Campus und lud mich anschließend zu sich nachhause ein. Auch Eugenio Junior, der dort Architektur studiert, und weitere Freunde waren bei diesem Treffen dabei. Auch die gemeinsamen Wochenendausflüge mit der Familie – etwa zu den Wasserfällen im Gebiet Blanco oder an den Fluss zum Schwimmen – bleiben mir in besonderer Erinnerung. Die grüne Natur, die umliegenden Berge und die exotische Tierwelt der Region haben mich tief beeindruckt. Bei all diesen Begegnungen wurde mir bewusst, wie stark das Freundschaftsnetzwerk zwischen Bocholt und Bonao gewachsen ist. Durch den langjährigen Austausch und die regelmäßigen gegenseitigen Besuche hat sich eine enge Verbindung entwickelt, die mittlerweile mehrere Generationen umfasst.
Darüber hinaus konnte ich Einblicke in die Arbeit der Kolping-Fundación gewinnen. Als Vorstandsmitglied stellte Eugenio mich den Deutschen Tim und Faris vor, die ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bonao verbringen. Die Hauptaufgaben der Freiwilligen besteht in der Bildungsarbeit in der Pre-Escolar Morada-San Jorge (Vorschule), die auch durch den Freundeskreis unterstützt wird. Hier durfte ich die beiden beim eigenständigen Unterrichten eines Deutsch- und Englischkurses begleiten und unterstützen. Daneben wird derzeit ein Aufforstungsprojekt im Flussgebiet des Río Yuna durchgeführt. Hier durfte ich das Team begleiten und erleben, wie bedeutsam der Naturschutz für die Umgebung Bonaos ist, da der Klimawandel vermehrt zu Erosionen führt und die Trinkwasserversorgung der Gemeinde gefährdet.
Die sechs Wochen in Bonao waren für mich ein unvergessliches Erlebnis. Ich bin dankbar und freue mich sehr, Teil des Freundschaftsnetzwerks zwischen Bocholt und Bonao zu sein. Damit bin ich in meiner Familie – nach meinem Opa Johannes und meinem Vater Benedikt – bereits die dritte Generation, die vor Ort war. Mein besonderer Dank gilt all denen, die mir diese Erfahrung ermöglicht haben – allen voran Eugenio und seiner Familie, die mich herzlich aufgenommen und mit ihrer Gastfreundschaft tief beeindruckt haben. Vor allem Eugenio hat durch seine zahlreichen Kontakte vieles organisiert und überhaupt erst möglich gemacht. Ein herzliches Dankeschön geht auch an das Team des Hospitals Pedro E. de Marchena für die wertvolle Begleitung und die spannenden Einblicke in die medizinische Arbeit. Diese Erfahrungen werden mich persönlich und auf meinem weiteren Weg im Medizinstudium nachhaltig prägen. Danke auch an Schwester Hölguin für die unzähligen Fahrten mit der pasola – und an meinen Gast-Opa Don Félix für die gemütlichen Fernsehstunden. Allen dominikanischen Freunden danke ich für ihre Offenheit, Lebensfreude und echte Gastfreundschaft – Juntos como hermanos!
-Maria Buß
Du möchtest mehr erfahren über Marias Reise? Dann komm am 08.11.2025 um 17 Uhr ins Pfarrheim St. Georg! Dort wir nicht nur über den Freundeskreis Dominikanische Republik infomiert, auch wird Maria weitere spannende Eindrücke und Erlebnisse berichten.